Heute sind meine Frau und ich mit der U-Bahn ins Centrum gefahren.
Am späten Nachmittag sind die Wagen voll. Die Leute sind müde, die Gesichter sind senfgrau, manche schließen die Augen im Stehen und probieren ein Nickerchen.
Als ein alter Mann zusteigt, will meine Frau ihm ihren Platz anbieten, doch ein junger Mann kommt ihr zuvor, so dass der agile, schlanke und elegant gekleidete Greis plötzlich neben meiner Frau sitzt und sofort ein Gespräch mit ihr beginnt. Ich verstehe nichts, denn mein Stehplatz ist zu weit entfernt und meine Portugiesischkenntnisse reichen nicht zum Verständins von knapp wahrgenommenen Wortfetzen.
Im Centrum angekommen frage ich nach dem Inhalt des Gesprächs.
Der Mann ist auf dem Weg in die Favela Morro de São Carlos. Seine Empregada (Hausangestellte) ist krank und er will ihr Medikamente bringen. Gestern war er bereits da, er war voher noch nie dort. Er berichtet von Schüssen und Elend.
Ohne in Sozialkitsch verfallen zu wollen - schließlich hat der Mann ja auch einen hohen Eigennutz von einer genesenen Empregada - bin ich doch von der Courage und diesem Bild von meiner Frau und dem Greis in der Metro irgendwie beschwingt und wieder einmal froh, in Rio zu sein.
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